Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als Reifenhersteller ein- und denselben Reifentyp tage- oder sogar wochenlang produzieren konnten? Umrüstungen konnten Stunden dauern. Da diese aber nur gelegentlich vorkamen und vorhersehbar waren, wirkten sie sich nicht dramatisch auf die Produktivität aus.
Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass diese Zeiten längst vorbei sind. Als Reifenhersteller müssen Sie mehr SKU-Varianten als je zuvor produzieren, um die sich ständig ändernden Anforderungen der Automobilbauer zu erfüllen. Gleichzeitig erwartet der Reifenersatzteilmarkt minimale Vorlaufzeiten – und eine zuverlässige Versorgung über Ihr Vertriebsnetz.
Um die Agilität der Produktion zu erhöhen und die Herausforderungen der heutigen Zeit zu meistern, setzen Reifenhersteller durchweg auf digitale Technologie. Aber wie genau die Digitalisierung angegangen werden soll, stellt kostenbewusste Hersteller mit einer umfangreichen installierten Basis von Legacy-Ausrüstung vor schwierige Fragen.
Es gibt nicht den einen Weg zur Digitalisierung
Während meiner Tätigkeit als Berater für die Automobil- und Reifenbranche habe ich gelernt, dass die Art und Weise, wie Reifenhersteller ihre Digitalisierungsreise antreten, so einzigartig ist wie die jeweiligen Anforderungen in ihren Werken. Die wichtigsten Fragen in diesem Zusammenhang sind:
- Wo treten Engpässe auf?
- Wo und wie können digitale Initiativen die größte Wirkung erzielen – angesichts der allgegenwärtigen Beschränkungen von Zeit und verfügbaren Mitteln
Wenn es darum geht, den Überblick über Komplexität zu behalten – und auf die Anforderungen des Marktes zu reagieren – ist ein Manufacturing Execution System (MES) von unschätzbarem Wert. Mit einem MES können Sie Ihren Fertigungsprozess von den Rohstoffen über das Mischen, die Vorbereitung, Montage, Aushärtung und Endbearbeitung bis hin zur Prüfung und Lagerhaltung organisieren und verwalten.
Wenn Sie eine MES-Plattform installieren, können Sie erhebliche Vorteile im gesamten Anlagenbetrieb erzielen. Ein MES plant und organisiert die Produktion jedes Reifens – einschließlich der Maschineneinstellung und des Materialbedarfs – auf der Grundlage der technischen Stammdaten jedes Produkts. Ein MES sorgt für umfassende Kontrolle, Ablaufsteuerung, Überwachung, Rückverfolgbarkeit, Alarmierung und Dokumentation – über den gesamten Fertigungsprozess hinweg. Ein MES setzt nicht nur Konstruktionsstandards und Arbeitsanweisungen durch, sondern ermöglicht auch einen dynamischen Personaleinsatz auf der Basis von Kompetenzen und dem tatsächlichen Produktionsbedarf.
Dieses Maß an Kontrolle und Organisation reduziert den Verfall von Beständen sowie die Menge unfertiger Erzeugnisse und Ausschussprodukte in jeder Anlage erheblich. Darüber hinaus erhöht ein MES die Agilität im gesamten Fertigungsprozess und ermöglicht es Ihnen, Produktionspläne schnell und effizient zu ändern, um Marktanforderungen zu erfüllen und die Gesamtanlageneffektivität zu verbessern.
Doch obwohl eine MES-Plattform für eine nachhaltige End-to-End-Optimierung von entscheidender Bedeutung ist, tun sich einige Reifenhersteller mit der Entscheidung zur Umstellung schwer. Offen gesagt, erfordert die Realisierung eines umfassenden MES ein Bekenntnis des Unternehmens zum Wandel – und die Entschlossenheit, organisatorische Barrieren und eingefahrene betriebliche Prozeduren zu überwinden. Auch können erhebliche Investitionen nötig sein, besonders bei bestehenden Anlagen, die im Laufe der Zeit ohne einheitliche Struktur weiterentwickelt und erweitert wurden.
Deshalb beginnt der Weg zum digitalen Reifen häufig mit einfachen Initiativen wie der Umsetzung skalierbarer Internet der Dinge-Technologie zur Leistungsoptimierung des spezifischen Bearbeitungszentrums.
Skalierbare IdD-Technologie beginnt mit Visualisierung und Analyse
Die Reifenherstellung ist unbestreitbar ein komplexer Prozess. Aber angesichts vieler ähnlicher Maschinentypen können Reifenhersteller durch speziell auf die Vermeidung von Engpässen abzielende Optimierungsmaßnahmen einen erheblichen Mehrwert erreichen.
Während Menschen, die tagtäglich mit den Maschinen umgehen, ein gutes Gespür dafür haben, wo diese Engpässe liegen, ist es schwierig, Probleme zu lokalisieren, wenn Erkenntnisse zur Maschinenleistung in Echtzeit nur begrenzt vorliegen. Darüber hinaus kombinieren viele Bearbeitungszentren neueres und älteres Equipment – mit unterschiedlichem Grad der Automatisierung und Leistungstransparenz.
Woher wissen Sie also, welche Ausrüstung die vorgesehenen Zykluszeiten einhält oder welche Bediener in Rückstand geraten? Wie können Sie den Betrieb des Bearbeitungszentrums als Ganzes betrachten und feststellen, wo genau es Engpässe gibt – und wie die Leistung optimiert werden kann?
Um die Prozesstransparenz zu verbessern, fokussieren viele Reifenhersteller IdD-Initiativen zunächst auf skalierbare Analyse-Software, mit der sich Daten aus vielen unterschiedlichen Quellen sammeln, konsolidieren und in einen sinnvollen Zusammenhang bringen lassen.
Grundlegende Analysen verwandeln Ursprungsdaten in die Art von Berichten und Dashboards, mit denen Sie Leistungsprobleme erkennen und fundierte Entscheidungen treffen können. Dies wird Ihnen besonders dabei helfen, die Frage „Was ist passiert?“ zu beantworten. Sie werden auch Hinweise zum „Warum ist es passiert?“ erhalten.
Mit einem Data-Science-Ansatz können Sie noch einen Schritt weitergehen und prädiktive und präskriptive Analysen durchführen, um Antworten auf die Fragen zu finden: „Wann wird dies wieder passieren?“ und „Was kann ich tun, um das zu vermeiden?“. Diese erweiterten Analysen nutzen oft maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz, um außergewöhnliche Einblicke zu liefern – und die Leistung zu steigern:
- Vorausschauende Analysen erkennen und erlernen Datenmuster, die Geräteausfällen oder Produktionsanomalien vorausgehen. An das Personal werden entsprechende Warnungen ausgegeben, damit frühzeitig Überprüfungen oder Wartungsarbeiten erfolgen können.
- Präskriptive Analysen sagen nicht nur ein wahrscheinlich auftretendes Problem voraus, sondern geben auch Maßnahmen vor, um Ausfallzeiten zu vermeiden, die Zykluszeit zu verbessern oder die Produktqualität zu sichern.
Eine „Steuerung für maschinelles Lernen“-Strategie bringt die Leistungsfähigkeit von Prescriptive Analytics noch einen Schritt weiter. Vorgeschriebene Aktionen werden direkt an das Steuerungssystem gebunden – und automatisch in Echtzeit ausgeführt, um die Maschinenoptimierung zu automatisieren.
Gehen Sie noch einen Schritt weiter mit dem digitalen Zwilling
Digital Twin-Software ist eine weitere Möglichkeit, Ihrem Betrieb einen skalierbaren Mehrwert zu verschaffen. Ein digitaler Zwilling kann als virtuelle Nachbildung einer physischen Anlage die Leistung der Anlage imitieren.
Ein digitaler Zwilling schafft Nutzen über den gesamten Lebenszyklus hinweg – beginnend mit Maschinenkonstruktionen, die vor ihrem Einsatz vor Ort virtuell getestet und in Betrieb genommen werden können.
Mit einem digitalen Zwilling können Sie Ihre Mitarbeiter an der virtuellen Maschine so schulen, dass sie die Anlage vom ersten Tag an bedienen und warten können. Mit einem digitalen Zwilling können Sie außerdem „Was-wäre-wenn“-Szenarien in der virtuellen Umgebung testen – und feststellen, wie sich Änderungen im Prozess auf die Maschinenleistung und den Durchsatz auswirken.
Sorgen Sie für Skalierbarkeit, Tragfähigkeit und Nachhaltigkeit
Die Reise zur digitalen Reifenproduktion mit fokussierten IdD-Lösungen anzutreten, ist eine Sache. Diesen Erfolg zu bewahren und darauf aufzubauen ist eine andere.
Wie können Sie unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit zu einem voll integrierten, digital transformierten Unternehmen werden? Hier sind ein paar Dinge, die Sie beachten sollten:
- Vision und Führung. Allzu oft schlägt ein Unternehmen den Weg zur Digitalisierung ohne eine Vision oder den geschlossenen Rückhalt der Unternehmensleitung ein. Das Ergebnis sind häufig verschiedene, unkoordinierte Initiativen, die nicht in einem Business Case verankert sind – und sich nur schwer evaluieren und erweitern lassen.
- Skalierbarkeit. Um seinen Nutzen unter Beweis zu stellen, darf ein IdD-Pilotprojekt nicht zu eng gefasst sein. Es muss sich leicht auf andere Maschinen, Prozesse und Anlagen skalieren lassen.
- Tragfähigkeit und Nachhaltigkeit. Die Investition in eine tragfähige, kommerzielle Standard-IdD-Plattform wird sich auf Jahre hinaus auszahlen. Mit digitalen Lösungen, die unternehmensintern von Ihren eigenen Mitarbeitern entwickelt wurden, können Sie ein Problem vorerst lösen. Aber es kann sich als schwierig – und kostspielig – erweisen, Mitarbeiter zu beschäftigen, die diese Lösung langfristig unterstützen, aufrechterhalten und erweitern können.
Erfahren Sie mehr darüber, wie Sie erfolgreich und kosteneffizient zur digitalen Reifenproduktion gelangen. Egal, wo Sie sich auf Ihrer digitalen Reise befinden, wir können Sie unterstützen.
Bill Sarver, Automotive & Tire Industry Senior Consultant, hat an diesem Blog-Beitrag mitgearbeitet.
Veröffentlicht 5. April 2021