Recommended For You
Andere Länder, andere Sitten. Was uns Europäern einigermaßen exotisch erscheint, ist für andere Nationen vollkommen „normal“. Zum Beispiel eine Unterscheidung zwischen gelisteten (UL) und recognized (UR) Komponenten. Um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen, liefern wir Ihnen hier und jetzt einen kleinen Leitfaden durch den amerikanischen „Normendschungel“.
Gut, ich gebe es zu: Als amerikanisches Unternehmen haben wir einen beträchtlichen Heimvorteil. Unsere Kollegen in Übersee sitzen direkt an der Quelle. Die kennen sich aus und helfen uns, den dortigen Normendschungel zu beherrschen. Und der Ausdruck „Dschungel“ ist in diesem Zusammenhang durchaus berechtigt. Denn die in den Vereinigten Staaten geltende Normen-Welt ist tatsächlich ziemlich dicht, für „IEC-Jünger“ teilweise tropisch anmutend und demnach gar nicht so einfach zu durchblicken. Aber es ist machbar. Das ist die gute Nachricht. Und wir helfen Ihnen gerne dabei. Ab sofort, gleich hier an dieser Stelle mit einem kleinen, aber feinen Leitfaden, was es bei einem Marktauftritt in den USA so alles zu beachten gilt:
1) Die „großen Drei“ geben die generelle Ausrichtung vor
Behalten Sie bei Ihren Maschinen- oder Schaltschrankausrüstungen unbedingt die UL508A (für Schaltschränke mit einer Spannung bis 600 V in normalen Umgebungsbedingungen), die NFPA 79 (für industrielle Maschinen) und den National Electric Code (NEC) als Basis für alles, was mit Elektrik zu tun hat, im Auge.
2) Sie wissen: keine Regel ohne Ausnahme
Dieses Sprichwort gilt auch hier. So lassen sich unter Umständen in den State Building Codes der einzelnen Bundesstaaten diverse Zusatz-Auflagen finden. Das zu überprüfen ist speziell bei großen Neuanlagen wichtig. Meist weiß der Kunde selbst am besten, welche Gegebenheiten regional vor Ort zu beachten sind. Bei manchen Themen haben zudem noch das American National Standards Institute (ANSI), die National Electrical Manufacturers Association (NEMA) oder die Occupational Safety and Health Administration (OSHA) ein entscheidendes Wörtchen mitzureden.
3) Denken Sie bitte auch an Werksvorschriften
Vor allem in großen Unternehmen ist die penible Einhaltung der Werksvorschriften (z. B. Drahtfarben und Aderkennzeichnung) oberstes Gebot! Also besser vorher nachfragen, als dann bei der Werksabnahme das Nachsehen haben bzw. die Pflicht zum Nachrüsten „auszufassen“.
4) Puffer einplanen bei der Inbetriebnahme
Da die Gesetze und teilweise auchGepflogenheiten in den USA anders sind, sollten vor allem Neulinge auf dem amerikanischen Markt einen guten, die dortigen Verhältnisse genau kennenden „Guide“ an der Hand haben und ein bisschen mehr Zeit als gewohnt für Installation und Inbetriebnahme vor Ort einkalkulieren. Es ist meist sehr hilfreich, mit einem ortsansässigen Systempartner, der die lokalen Notwendigkeiten kennt und die entsprechenden Konzessionen besitzt, zusammenzuarbeiten– speziell bei Installationen der Anlage und deren Inbetriebnahme.
5) Im Zweifelsfall auf jeden Fall besser „listed“ als bloß „recognized“
Das UL/UR-Prüfzeichen der Underwriter Laboratories ist sehr wichtig in den Vereinigten Staaten von Amerika. Geräte ohne diese Prüfzeichen sollten möglichst nicht verwendet werden. Ein UL-Listing Prüfzeichen auf einem Gerät oder einer Anlage gibt die Sicherheit, dass die Produkte garantiert den Normen und Vorschriften in den USA entsprechen. Bei lediglich „recognized“ ist beim Engineering mit Bedacht zu agieren. Dann sind die Conditions of Acceptability (COA) des Herstellers genau zu befolgen.
Abschließend noch ein heißer Tipp zum Thema UL Zertifizierung: Beherzigen Sie in diesem Zusammenhang wirklich, sofern irgendwie möglich, den Leitspruch „Never change a running system“. Eine Änderung einer bewährten, von den Underwriter Laboratories bereits abgenommenen Lösung, könnte Sie unterm Strich nämlich einiges kosten – zahlreiche Diskussionen und/oder mitunter sogar neuerliche Prüfungen. Dies gilt selbst für vermeintliche „Peanuts“ wie eine simple Namensänderung einer bereits gelisteten Produktkombination.
6) Amerika ist ein Land der nahezu unbegrenzten Spannungsmöglichkeiten
Amerika ist meist eine Neutralleiter-freie Zone. Das bedeutet: Ohne Masttransformatoren läuft in den dortigen Stromnetzen rein gar nichts. Dafür steht eine große Spannungsvielfalt zur Verfügung: Von 120, 240, 480/460 bis hin zu 600/575 V ist alles möglich, wobei die 480/460er Variante am gebräuchlichsten ist. Aber fix ist nix. Deshalb sollte man bei jedem Projekt unbedingt die Eckdaten abklären: wieviel Spannung, welche Erdung, welches Netz! Speziell bei den Erdungsmaßnahmen kann man seine blauen Wunder erleben und Versäumnisse im Engineering führen hier zu fatalen Fehlern und Mehrkosten.
7) Ganz kurz noch, dann ist mit Teil 1 der UL-Trilogie Schluss
Ein absolutes Muss in den USA sind sogenannte Short Circuit Current Ratings (SCCR). Die Kurzschlussfestigkeit der Schaltanlage muss rechnerisch ermittelt und auf dem Typenschild angegeben werden.
Sollten Sie jetzt erst recht einige Fragen offen haben, dann kontaktieren Sie mich doch per Mail! Ich helfe Ihnen gerne weiter.
Und in Kürze erscheint ja auch schon der zweite Teil unserer UL-Trilogie!
Veröffentlicht 2. März 2016