Jede Branche spielt eine Rolle bei der Verringerung der CO2-Emissionen und für Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Die Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens 2015 hat diese Tatsache unterstrichen und ein eindeutiges Rahmenwerk geschaffen, um das ambitionierte Ziel einer Netto-Null-Emission bis 2050 zu erreichen.
Für die Schwerindustrie, wie z. B. in der Stahlproduktion, ist das Zero-Carbon-Ziel besonders wichtig, da diese Branche für 7 bis 8 % der globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist – oft als Nebenprodukte konventioneller Produktionsmittel.
Scheinbar unvermeidliche Probleme provozieren häufig kreative Lösungsansätze, und der global aktive Stahlproduzent ArcelorMittal hat einen besonders erfinderischen Ansatz gefunden. In Zusammenarbeit mit dem mit Nachhaltigkeit befassten Unternehmen LanzaTech und dem Digitalisierungsspezialisten Rockwell Automation wurden deutliche Schritte unternommen, um einen neuen Industriestandard für Nachhaltigkeit für den Sektor zu etablieren. Dieser Ansatz widmet sich der Kreislaufwirtschaft und dem Recycling von anderenfalls schädlichen Nebenprodukten, um gleichzeitig neue wirtschaftliche Gelegenheiten zu schaffen.
Lösung bekannter Probleme
Es wäre falsch anzunehmen, dass die Stahlindustrie nicht selbstreflektierend genug sei, um die Wichtigkeit ihrer Rolle bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit zu erkennen. Das Thema stand schon seit langem für viele der Führungsteams ganz oben auf der Agenda. Für ArcelorMittal hatte das Thema seit über einem Jahrzehnt strategischen Vorrang.
Das Unternehmen ist führend in der Stahlherstellung. Die Geschäftstätigkeit erstreckt sich auf über 17 Länder, und die Produktion beträgt jährlich 71,5 Millionen Tonnen Stahl für viele verschiedene Anwendungen wie das Baugewerbe und die Automobilbranche.
In vergangenen Jahren suchte das Unternehmen nach Möglichkeiten, die Standards eines ganz bestimmten Geschäftsbereichs zu verbessern – die CO2-Emissionen ihrer Hochöfen. In diesen Hochöfen werden Eisenerz und Kohle verwendet, in Form von Sinter und Koks. Der Koks verringert den Sinteranteil im heißen Metall, welches dann im Stahlwerk in flüssigen Stahl verwandelt wird. Während der Reduktion des Sinteranteils entstehen die Gase CO und CO2.
Über alle globalen Aktivitäten hinweg erkundet das Unternehmen neue Methoden zur Verbesserung der Nachhaltigkeit seiner Geschäftstätigkeiten, entweder direkt durch Maßnahmen zur Verringerung der CO2-Emissionen oder indirekt durch Steigerung der Produktionseffizienz.
Eine Person, die diese Bemühungen vorantreibt, ist Wim Van der Stricht, CTO von ArcelorMittal, mit spezieller Verantwortung für Technologiestrategie, CO2 und Kreislaufwirtschaft. Nachdem er 2013 CTO des Unternehmens wurde, sorgte Wim im Stahlwerk des Unternehmens in Ghent, Belgien, für Nachhaltigkeit und verfolgte das übergeordnete Ziel der Verringerung der Treibhausgasemissionen für sämtliche Geschäftsbereiche in Europa um 30 % im Vergleich zu den Zahlen aus 2018.
„In meiner gesamten Zeit in diesem Unternehmen stand die Nachhaltigkeit immer im Vordergrund. Der Metallsektor befindet sich an einem Wendepunkt, und wir wollen helfen, den Standard der Methoden der Stahlproduktion in einen umweltfreundlichen Vorgang zu verwandeln“, so Wim.
Neue Lösungsansätze
Zur Lösung der Hochofen-Thematik und zur Senkung der CO2-Emissionen suchte Wim nach Inspirationen über seine eigene Region hinaus und fand eine bestechende Herangehensweise, die im asiatisch-pazifischen Markt versucht wurde. LanzaTech, ein in Neuseeland gegründetes Unternehmen für biologische Treibstoffe und langjähriger Partner von ArcelorMittal, hatte ein innovatives mikrobielles Biomasse-Material entwickelt, das in klinischen Versuchen Kohle in Bioethanol umwandeln konnte. Das Unternehmen arbeitete mit den chinesischen Geschäftsbereichen von ArcelorMittal zusammen, um einen konzeptuellen Beweis zu erbringen, ob dieser Ansatz auf die Stahlproduktion anwendbar wäre, um ein Bioethanol-Produkt namens ,Steelanol‘ zu entwickeln.
Wim berichtete, „Was mich am Ansatz von LanzaTech sofort stark beeindruckte, war dessen Einfallsreichtum. Wir wissen, dass CO2 ein unvermeidliches Nebenprodukt des Hochofenbetriebs ist, aber was wäre, wenn CO2 in etwas verwandelt werden könnte, das einen weniger schädlichen Einfluss auf die Umwelt hätte?“
Nachdem er sich selbst von der Wirksamkeit des Prozesses überzeugt hatte, war Wim sicher, dass dieser Ansatz auf die Betriebsprozesse in Ghent anwendbar sein würde. Er und sein Team machten sich an die Konstruktion eines Systems, das die Rolle des Kohlendioxids in der Fabrik revolutionieren würde. Um diese Konstruktion von Anfang an richtig angehen zu können, verließ sich das Team auf die Fachkenntnis ihres Partnernetzwerks. LanzaTech unterstützte es beim Design des CO2-Aufnahmemechanismus, während Rockwell Automation eine vollautomatisierte Plattform vorschlug und lieferte, einschließlich Laufwerken, Prozesssteuerung, Netzwerken und Visualisierung. Gemeinsam legten sie einen Prozessablauf fest, bei dem die Biomasse auf den Hochofen angewendet würde, woraufhin eine Verarbeitung erfolgte, mit der das Bioethanol-Produkt hergestellt werden kann.
„Die Schönheit lag in der Einfachheit des Designs. Wir erhielten einen wiederholbaren Prozess zur vollständigen Entfernung des Kohlendioxids aus der Gleichung. Unsere Tests zeigten, dass dies skalierbar und mit der richtigen Ökonomie nachhaltig in der Langzeitpraxis war.“
Die Idee des Projekts erhielt Zustimmung durch das Führungs-Team von ArcelorMittal, einschließlich des CEO, der es als wichtigen Schritt in Richtung einer Marktführerschaft in Bezug auf Nachhaltigkeit bezeichnete. Es fand auch Bestätigung auf Regierungsebene, einschließlich der Rückendeckung durch die Europäische Investitionsbank, die für dessen Umsetzung erhebliche Mittel betrug.
„Es war wirklich ermutigend zu sehen, wie breit die Zustimmung für dieses Projekt ausfiel. Sowohl innerhalb ArcelorMittal als auch außerhalb waren die Leute beeindruckt, was der Prozess erreichen konnte. Diese Unterstützung hat uns wirklich dabei geholfen, das Projekt in den acht Jahren, nachdem wir die ersten Möglichkeiten hierzu erkundet hatten, voranzubringen“, fügte Wim hinzu.
„Wir wären ohne die Unterstützung durch LanzaTech und Rockwell Automation auch nicht bis hierher gekommen. Unter Anleitung durch LanzaTech über die Nutzung von Biomasse-Materialien sowie durch das Expertenteam von Rockwell Automation, das beratend in Bezug auf Design und Konstruktion des Werks wirkte, erhielten wir die entscheidende Hilfe, unsere Bemühungen zu gestalten und voranzubringen.
Diese Empfindung wurde von LanzaTech bestätigt, das dadurch auch ermutigt wurde, einen weiteren innovativen Anwendungsfall für seinen chemischen Prozess zu finden. So sagte Babette Pettersen, Vizepräsidentin von LanzaTech für Europa, „Unser gesamtes Geschäft wurde darauf aufgebaut, den Status Quo infrage zu stellen. Echter Fortschritt für die Nachhaltigkeit lässt sich eben nicht mit bekannten Vorgehensweisen erreichen – wir brauchen eine neue Generation von Wirtschaftsführern, welche konkrete Gelegenheiten für bahnbrechende Technologien und Prozesse ergreifen. Vorreiter zu sein war noch nie leicht, aber wir vertrauen darauf, dass der Fall ArcelorMittal zeigt, dass es sich lohnt zu führen.“
Ein Ausblick auf Zero Carbon
Das neu konstruierte und sich im Aufbau befindliche Werk hat Investitionen von 165 Millionen € angezogen und soll planmäßig im Jahr 2022 in Produktion gehen, wobei die volle Produktion im Jahr 2023 erreicht werden soll. Es wird geschätzt, dass im Betrieb etwa 80 Millionen Liter nachhaltig produzierten Ethanols pro Jahr anfallen, ohne dadurch die Umwelt zu belasten.
Sobald das Projekt live geht, eröffnen sich einige aufregende Möglichkeiten für ArcelorMittal. Das Produkt auf Ethanolbasis wird stark nachgefragt und wird für vielerlei Anwendungsfälle eingesetzt, einschließlich der Produktion von Desinfektionsmitteln, Reinigungsprodukten und Kunststoffen. ArcelorMittal wird eine Verbindung als Lieferant in diese und weitere Sektoren ermöglichen, wodurch ein potentiell profitables und eigenständiges neues Geschäftsfeld entsteht.
„Das neue Produkt wird es uns erlauben, in die Kreislaufwirtschaft einzusteigen und mit Partnern zusammenzuarbeiten, die unser unternehmerisches Ethos teilen. Die Tatsache, dass dieses Projekt unsere CO2-Emissionen dramatisch verringern und gleichzeitig unser Geschäftsmodell diversifizieren kann, ist eine echte Win-Win-Situation.“
Das Projekt hat zudem einen weiteren, unerwarteten Vorteil. „Nicht nur Unternehmen mit einer Nachfrage nach Ethanol haben Interesse an dem Projekt – wir erhielten auch Anfragen von Angestellten mit verschiedenen Zukunftsaussichten, die Teil des Wandels sein möchten. Dies soll nur verdeutlichen, dass es für kluge, sozialbewusste Talente sehr attraktiv ist, für Nachhaltigkeit zu sorgen,“ fügte Wim hinzu.
Staatliche Finanzierung kam aus vielen Quellen, einschließlich der Flämischen Regierung und des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union unter Fördervertrag Nr. 656437.
ArcelorMittal plant nun, die Blaupause und die Erfahrungen des Werks in Ghent auch in anderen Werken zum Einsatz zu bringen. „Unser Ziel ist die fortwährende Innovation, und Nachhaltigkeit spielt dabei eine wichtige Rolle“, schloss Wim.
Die oben beschriebenen Ergebnisse beziehen sich spezifisch auf die Nutzung von Produkten und Diensten von Rockwell Automation durch ArcelorMittal und LanzaTech in Verbindung mit anderen Produkten. Die spezifischen Ergebnisse unterscheiden sich möglicherweise bei anderen Kunden.
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