Innovationen sind immer mit Risiken verbunden. Neue Wege führen immer in eine unsichere Grauzone, in der die Vorteile zwar zunehmen, aber das Risiko zu scheitern im gleichen Maße zunimmt.
FANUC UK, ein Anbieter von Automatisierungslösungen mit Sitz in Coventry in der Region West Midlands des Vereinigten Königreichs, ist davon überzeugt, dass man keine Angst vor dem Risiko haben muss, sondern es bewältigen kann. Im März 2020 unterbreitete ein großer Kunde von FANUC, ein Hersteller von Kunststoffkomponenten, dem Unternehmen ein interessantes Problem, für das es eine Lösung zu finden galt: Die seit langen Jahren verwendeten Produktionslinien des Unternehmens sollten deutlich mehr Durchsatz erzielen und das Unternehmen wollte eine neue, deutlich vernetztere Infrastruktur einrichten, um seine Produktivität zu steigern.
FANUC UK nahm diese Herausforderung gern an, denn das Unternehmen konnte selbst entscheiden, wie die Lösung konzipiert und integriert werden sollte, um diese Ziele zu erreichen. Das Unternehmen bezog Rockwell Automation als Lösungspartner in das Projekt ein, um die neueste Fertigungstechnologie einzusetzen.
Gute Vorbereitung auf Industry 4.0
In der gesamten Welt der Fertigung ist „Industry 4.0“ zu einem großen Ziel geworden. Die Branche setzt auf enorme Fortschritte in der Entwicklung und Verfügbarkeit von Ausrüstung und vernetzten Maschinen der nächsten Generation.
Doch neue Wege zu gehen, bedeutet häufig, sich von Bekanntem zu verabschieden. In der Praxis kann diese Weisheit für die Entscheidungsträger in der Industrie zu einem komplizierten Problem werden, denn sie müssen bekannte, wertschöpfende Assets durch neue, weniger bewährte Lösungen ersetzen. Dieser Schritt ist häufig eine große Hürde vor allem für die internen Stakeholder.
Oliver Selby, Development Manager für das Robotics Business bei FANUC UK, begleitet Kunden durch die Klippen von Transformationen. Aus seiner Sicht muss ein Unternehmen mit potenziellen Risiken umgehen, um seine Rolle als visionärer Partner und Systemintegrator zu erfüllen.
„In diesem speziellen Fall besaß der Kunde eine Produktionsanlage mit neun getrennten Systemen, in denen eine Drehscheiben als Ausrüstung für die Komponentenherstellung verwendet wurde. Die älteste Anlage war 17 Jahre alt – seit ihrer Installation hat sich die Technik also erheblich weiterentwickelt“, erklärt er.
Das größte Problem des Unternehmens bestand darin, dass der Durchsatz zu gering war und kein effizienter Produktionsfluss über den gesamten Montageprozess aufrechterhalten werden konnte. Der Takt der vorhanden Drehscheiben ist nur so schnell wie der langsamste Montageschritt. Eine einzige Unterbrechung in den zahlreichen Montageprozessen der Linie führt damit dazu, dass die Anzahl der an diesem Tag produzierten Komponenten drastisch sinkt.
Das Unternehmen formulierte ein ehrgeiziges Ziel für FANUC: Der Durchsatz sollte auf mehr als 35 Komponenten pro Minute erhöht werden. Das entspricht einer Steigerung der Gesamtproduktivität von etwa 15 %. Insbesondere suchte der Kunde nach Möglichkeiten, die Datenerfassung zu verbessern, um mehr Transparenz in Bezug auf die Komponenten zu erhalten und die vorausschauende Instandhaltung zu optimieren. Damit verbessert sich wiederum die Zuverlässigkeit des Produktionszyklus, sodass die Bediener potenzielle Stockungen möglichst früh im Prozess erkennen und beseitigen können.
Aus der Zusammenarbeit mit Rockwell Automation versprach sich Oliver, eine neue Art von Betriebsausrüstung in die Anlage integrieren zu können: Independent Cart Technology (ICT). ICT ist eine relativ junge Technologie, die lineare Servoantriebe nutzt, um Waren schneller, effizienter und mit einem niedrigeren Unterbrechungsrisiko zu bewegen. Diese Technologie wird bereits von einigen der weltweit führenden Innovationsunternehmen eingesetzt.
Gemeinsam entschied man sich, dass die iTRAK 5730-Lösung von Rockwell Automation für die Zwecke des Kunden der beste Kandidat ist.
Darüber hinaus erhalten die Bediener mit dem verwendeten Steuerungssystem bessere Kontrolle über die Linie, da sie die gesamte Produktion über eine einzige SPS verwalten können. Dank der „Smart Object“-Funktionen können Bediener Datensätze zur Qualität und Quantität der Komponenten in Millisekunden abrufen, die Daten an die Cloud senden und analysieren, um schnelle und fundierte Entscheidungen zu treffen.
Der Kunde musste sich mit der Lösung zwar von seinem Status-quo verabschieden, aber Oliver vertraute darauf, dass die neue Technologie die gewünschten Ergebnisse hervorbringt. „Die Umstellung auf eine ICT-Lösung stellte im Vergleich zu den bisherigen Produktionsmethoden mit Drehscheiben einen Paradigmenwechsel für das Unternehmen dar. Doch er ermöglichte eine deutliche höhere Flexibilität im Montageprozess. Aber vor allem ist die ICT-Lösung skalierbar, sodass Bediener die Länge und Anzahl der Wagen bei veränderten Anforderungen jederzeit steigern können“, fügte er hinzu.
„Mit den im Steuerungssystem integrierten Funktionsblöcken lässt sich eine Integrationsgeschwindigkeit erzielen, die dem gesamten Angebot zu einem Mehrwert verhilft.“
Der Sprung ins kalte Wasser
Oliver war überzeugt von den Vorteilen, die der Umstieg auf ICT für die Produktion bringen würde. Doch das wollte er seinen Kunden auch beweisen. Sie sollten sich selbst von den potenziellen Leistungsvorteilen überzeugen. Sie sollten genau verstehen, wie die neue Technologie im Vergleich zu den vorhandenen Systemen funktioniert. Mit einer klaren Vorstellung der Möglichkeiten wären sie nicht nur beruhigter, sondern würden auch mit mehr Motivation und Überzeugung investieren.
Dazu bat Oliver Rockwell, Simulationen des iTRAK-Durchsatzes bereitzustellen und damit zu beweisen, dass die Lösung maßgeschneidert ist. Rockwell konnte mit Emulate3D die Inbetriebnahme virtualisieren und damit genau zeigen, wie das neue System aussehen würde, wie es konfiguriert werden könnte und – der wichtigste Aspekt – welcher Durchsatz sich damit erzielen ließe.
„Dank dieser Unterstützung konnten wir nachweisen, dass die Prozessrisiken, die sich bei der Entwicklung der Lösung gezeigt haben, minimal sind. Das war ein wichtiger Schritt, um sowohl intern als auch beim Endkunden mehr Vertrauen zu erzielen. Man sieht zwar Zahlen und Zeichnungen, aber wenn man die Anlage im virtualisierten Betrieb sieht, erhält man eine ganz genaue Vorstellung“, fügte er hinzu.
Auch in Bezug auf die Kapitalrendite konnte Oliver den Entscheidungsprozess des Kunden unterstützen, denn er zeigte ihm direkt, dass seine Investitionen in ICT den Weg zu einer höchst flexiblen und effizienten Produktion mit neuester Technologie öffneten. Mithilfe der Simulation wurde dem Kunden klar, dass seine Erwartungen erfüllt wurden. So war er bereit, die Kapitalfonds freizugeben und die Entwicklungsphase des Projekts zu starten. Oliver ist davon überzeugt, dass dabei die Fähigkeit von Rockwell Automation eine wichtige Rolle gespielt hat.
„Dank der exzellenten Zusammenarbeit mit Rockwell Automation konnten wir mit der Entwicklung der Lösung für unseren Kunden beginnen. Der frühzeitige und gute Kontakt zu unseren Komponentenlieferanten ist der Schlüssel zu einem besseren Verständnis der technologischen Entwicklungen, mit denen wir unsere Kunden überzeugen können.“
Flexibilität für die Zukunft
Im Juni 2021 ist die neue Lösung in die nächste Phase eingetreten und FANUC ist sich sicher, dem Kunden eine ganzheitliche Lösung zu liefern, die den Grundstein für fortlaufende Innovation legt. Sobald sich die Mitarbeiter des Kunden an das neue System gewöhnt und die Fähigkeiten entwickelt haben, die für die Digitalisierung erforderlich sind, steht die Tür offen für weitere Innovationen und die Einführung modernerer Funktionen in der Anlage.
„Die Lösung ist sehr skalierbar. Sie ist sowohl in Bezug auf die Hardware als auch auf die Software modular aufgebaut. Damit kann Code recht einfach in der SPS erstellt und auf anderen Linien repliziert werden. Einem Unternehmen, das diese Arbeitsweise einführt, steht die Zukunft der Fertigungsbranche offen“, bekräftigt er.
„Mit dem Zugriff auf Emulate3D haben wir einen weiteren Trumpf aus dem Ärmel gezogen und können unseren Kunden nun zeigen, wie wenig Risiko eine frühe Einführung von Automatisierung mit sich bringt. Wir können die Geschwindigkeit und Genauigkeit in jedem einzelnen Prozess nachweisen und den Wert der gesamten Lösung demonstrieren. Darüber hinaus stellen wir mit den VR- und AR-Funktionen virtuelle Umgebungen am Standort des Kunden vor.“
„Die Lieferanten/Kunden haben in der Zusammenarbeit mit Rockwell Automation insgesamt ausgezeichnete Erfahrungen gesammelt. Damit stehen die Tore für zukünftige Kooperationen offen, von denen unsere Kunden profitieren werden. Unsere Zusammenarbeit mit Rockwell Automation wird immer enger und unsere jeweiligen Produkte kommen sich in puncto Ausrichtung und Integration immer näher“, stellte er fest.